Sternenkind-Erfahrung-Feder-türkis

Kindsverlust in der Schwangerschaft: Unterschiedliche Wege. Unterschiedliche Wunden.

Normalerweise gilt eine Schwangerschaft als Zeit voller Hoffnung, Vorfreude und Pläne, mitunter gepaart mit Unsicherheit. Denn das Kommen eines Kindes verändert das Leben und macht die Zukunft unbekannt. Und manchmal – oder gar nicht so selten – endet eine begonnene Schwangerschaft nicht mitten im Babyglück, sondern im Schmerz.

Der Verlust eines Kindes während der Schwangerschaft ist kein Randthema. 
Weil es tatsächlich außerordentlich viele Frauen – und ihre Partner*innen – betrifft.
Deshalb ist es traurig, dass sich die Betroffenen oft mit ihrem Erleben allein gelassen, unverstanden oder sogar entwertet fühlen. 

Ja, wer es nicht selbst erlebt hat, kann sich schwertun mit dem Einfühlen. 
Doch selbst die, die es selbst erlebt haben, können Schwierigkeiten damit haben.
Denn was häufig übersehen wird ist, dass Kinder auf sehr unterschiedliche Weise verloren gehen können. 

Doch die Umstände, unter denen eine Frau ihr Kind verliert, prägen entscheidend, wie sie diesen Verlust erlebt, welche Gefühle aufkommen und wie ihr Weg der Trauer aussieht. Und wie ihr Umfeld darauf reagiert. 

Deshalb beschreibe ich in diesem Artikel über die unterschiedlichen Verlust-Variationen. Dabei geht es nicht um medizinische Definitionen. Der Fokus liegt vielmehr auf dem inneren Erleben, um mögliche Reaktionen des Umfelds und um die emotionalen Narben, die auch nach vielen Jahren noch schmerzen können. 
Vielleicht erkennst Du darin eine Frau in Deinem Umfeld wieder – oder Dich auch selbst – und entdeckst in den Beschreibungen Worte für etwas, worüber Du bisher nicht sprechen konntest oder wolltest.

Frühe Fehlgeburt (bis 12. Schwangerschaftswoche)

Die Medizin spricht bei einem frühen Verlust des Kindes von einer Fehlgeburt, einem „Abort“ oder von einem „spontanen Abbruch“. Das sind aus Sicht einer Mutter, die gerade begonnen hat, eine erste liebevolle Bande zu ihrem Baby zu knüpfen, keine freundlichen Benennungen. Sie erlebt es als abrupten Abriss einer Hoffnung, die bereits Gestalt angenommen hatte. Der positive Test, die ersten körperlichen Symptome und vielleicht schon kleine Pläne haben in ihrem Inneren das Bild entstehen lassen: „Ich werde Mutter.“ 
Wenn dieses Bild dann unerwartet zerbricht – sei es durch eine heftige Blutung oder durch die nüchterne Mitteilung des Arztes oder der Ärztin, dass kein Herzschlag mehr zu sehen ist – ist der Schock groß.

Viele Frauen erleben in dieser Situation einen tiefen Vertrauensbruch zu ihrem eigenen Körper. Sie fragen sich: „Warum passiert mir das? Was habe ich falsch gemacht?“ 
Oft plagen sie Schuldgedanken, obwohl die Medizin keine Erklärung findet in ihrem Verhalten. Solche Fragen ohne eine entlastende Antwort können quälen und lange nachhallen.

Erschwerend kann hinzukommen, dass die Umwelt die frühe Fehlgeburt bagatellisiert.
Von Sätzen wie „Es war ja noch ganz früh“ oder „Beim nächsten Mal klappt es bestimmt“ können viele Sternenkind-Mütter ein Lied singen. Solche Worte trösten nicht, sondern hinterlassen bei den Betroffenen das Gefühl, ihr Verlust sei nicht wichtig genug, um ernst genommen zu werden. Diese fehlende Anerkennung kann das Gefühl der Einsamkeit und der Trauer noch verstärken.

Das Erleben eines Verlusts stürzt Frauen nicht selten in eine Identitätskrise. 
Der Wunsch, schwanger zu sein, ist da, doch das Vertrauen in den eigenen Körper und die Zukunft ist nicht mehr gegeben. War es für die Mutter die erste Schwangerschaft, kann sie die große Frage quälen, ob sie überhaupt jemals ein gesundes Kind in ihren Armen halten wird. Die Erfahrung ist also nicht einfach ein „kurzes medizinisches Ereignis“, sondern trägt das Potenzial einer tiefgehenden, existenziellen Erschütterung in sich.

Späte Fehlgeburt (12.–23. Schwangerschaftswoche)

Eine späte Fehlgeburt geschieht zu einem Zeitpunkt, an dem die Schwangerschaft auch für Außenstehende schon sichtbar sein kann. Der Bauch ist gewachsen, die Frau kann ihr Kind spüren und die Bindung zu ihm ist bereits deutlich gewachsen. Wenn dann plötzlich kein Herzschlag mehr festgestellt wird oder Komplikationen eine Geburt auslösen, erleben die betroffenen Frauen nicht nur das plötzliche Ende der Verbindung zu ihrem Baby, sondern auch eine richtige Geburt – doch ohne lebendes Kind.

Nicht nur das Wissen um den Verlust des Babys, auch der körperliche Prozess – die eventuelle Einleitung, die Schmerzen der Gebärmutter-Kontraktionen, und schließlich die stille Geburt – für viele ist dies traumatisch, weil dieser Wegesabschnitt so sehr dem gleicht, was sie eigentlich erhofft hatten: eine Geburt, aber mit einem lebenden Kind im Arm. 

Das medizinische Umfeld behandelt diese Situation zu ihrem eigenen inneren Schutz häufig nüchtern, für die Mutter (und den/die Partner*in) ist es eine Erfahrung, die den Raum füllt zwischen Leben und Tod.

Die Gefühle können von Schock, tiefer aktueller Verzweiflung über Wut, bis hin zu einem bleibenden Trauma reichen. Frauen berichten, dass sie die Bedingungen rund um diese Geburt nie vergessen haben. 
Auch das Umfeld trifft es oft unvermittelt. Haben sie erst vor kurzem von der Schwangerschaft erfahren und sich auf das neue Familienmitglied gefreut, fehlt nun jede Kompetenz mit dieser traurigen Botschaft umzugehen. Es können Sätze fallen wie „Zum Glück war es noch kein richtiger Mensch“, „Wir können froh sein, dass wir das Baby noch nicht kennengelernt haben“. Oder es herrscht völlige Sprachlosigkeit, weil die Worte fehlen und man nichts Falsches sagen will. Gerade weil die Schwangerschaft schon spürbar war, fühlen Frauen sich unverstanden, wenn ihr Kind nicht als ihr Baby, 
sondern nur als Anlass zur Trauer gesehen wird.

So kann der Verlust tiefe Narben hinterlassen, auch wenn der Körper die Spuren mit der Zeit verwischt.

Totgeburt (ab 24. Schwangerschaftswoche)

Ab der 24. Schwangerschaftswoche spricht die Medizin von einer Totgeburt.
Das Kind kommt auf normalem Weg zur Welt, aber es lebt nicht. Für die Eltern bedeutet dies einen Tag, an dem Tod, Geburt und Abschied unmittelbar ineinander fallen. 
Manche beschreiben es als eine „Geburt in die Trennung“. Körper und Seele haben alle Strapazen einer Geburt durchlebt, doch das ersehnte Kind hinterlässt einen leeren Platz.

Viele Eltern sprechen von einer unbeschreiblichen Leere, von einem Auflösen aller Zukunftsbilder ins Nichts. Vielleicht hatte das Kind schon einen Namen, vielleicht war das Kinderzimmer schon fast fertig eingerichtet, die ganze Familie war vorbereitet – 
doch statt der Vorfreude muss jetzt die Realität des Todes integriert werden.

Mit im Boot sind oft auch Schuldgefühle, die die Eltern nach Erklärungen suchen lässt: „Hätten wir früher ins Krankenhaus gehen sollen? Hätte man das verhindern können?“ 
Auch Wut kann vorhanden sein – Wut auf den Körper, auf die Medizin, manchmal auch auf Gott und auf das Leben selbst. 

Gesellschaftlich ist eine Totgeburt inzwischen sichtbarer geworden, trotzdem erleben viele Familien immer noch Unverständnis. Besonders schmerzhaft kann es sein, wenn Außenstehende vermeiden, über das Kind zu sprechen, aus Angst, sie könnten die Eltern belasten. Dabei sprechen die meisten Mütter gerne über ihr Kind, weil über das Sprechen ihr Kind als Person anerkannt wird, auch wenn es nicht lebt.

Frühgeburt mit anschließendem Verlust

Frühgeborene Babys sind aus meiner Sicht geborene Ungeborene, denn sie haben ihre Zeit nicht bis zum natürlichen Ende im Mutterleib verbracht. Verstirbt ein Frühgeborenes kurz nach der Geburt, gehört für mich daher der Verlust zur Schwangerschaftszeit.

Der Verlust eines Frühgeborenen ist eine besonders ambivalente Erfahrung. 
Denn zuerst steht noch die Hoffnung im Vordergrund: Das Kind ist da, es atmet, es lebt. Doch die Intensivstation wird schnell zum Schauplatz eines emotionalen Ausnahmezustands, geprägt von Maschinen, Ärzten und ständiger Unsicherheit. 

Für Eltern ist jedes kleine Zeichen ein Signal der Stärke ihres Kindes, das im nächsten Moment durch einen Rückschlag wieder zunichte gemacht werden kann. Wenn das Kind schließlich stirbt, können sie sich fühlen wie aus einer Achterbahn geschleudert zu werden – erschöpft, verwirrt, zerrissen zwischen kurzen Momenten von Liebe und Hoffnung und dem endgültigen Verlust.

Die Trauer in dieser Situation ist häufig besonders komplex. 
Einerseits gibt es Erinnerungen: innere Bilder des Babys im Inkubator, vielleicht Fotos, vielleicht auch das Gefühl der Haut des Kindes auf der eigenen. Andererseits verstärkt die kurze Lebenszeit den Schmerz, weil sie wie ein Versprechen war, das jetzt gebrochen wurde. 

Viele Eltern tragen lange Zeit Schuldgefühle mit sich, fragen sich, ob sie mehr hätten tun können. Die Erfahrung bleibt häufig ein Riss im Lebenslauf, eine quälende Spur, ausgelöst durch eine „seelische Stichverletzung“, was Außenstehende nur schwer nachvollziehen können.

Abbruch aus medizinischen Gründen

Ein Schwangerschaftsabbruch aus medizinischen Gründen gehört zu den schwersten Entscheidungen, vor der Eltern stehen können. Eine Diagnose – sei es eine schwere Fehlbildung oder eine gesundheitliche Komplikation auf der Seite der Mutter – stellt alles infrage. 
Die Frage der Entscheidung ist selten frei, sondern kommt als medizinische Notwendigkeit oder als nicht lebbare Herausforderung daher. Wenn sich Eltern dann gegen die Fortsetzung der Schwangerschaft entscheiden, fühlen sie sich oft so, als hätten sie ihr Kind „abgelehnt“ oder „im Stich gelassen“. 

Die inneren Konflikte sind enorm. Einerseits gibt es den rationalen Teil, der versteht, dass ein Weitertragen für sie nicht möglich war. Andererseits bleibt der emotionale Schmerz und das Gefühl, sich verantwortlich dafür zu fühlen, aktiv für das Sterben des Kindes entschieden zu haben. Schuldgefühle und Zweifel nagen oft über Jahre: „War es wirklich nötig? Haben wir richtig entschieden? Hätten wir etwas anderes tun können?“

Besonders belastend ist, dass diese Art von Verlust gesellschaftlich weniger akzeptiert ist. Häufig fühlen sich Betroffene gefordert, die Diagnose zu erklären, ihre Entscheidung zu rechtfertigen und erfahren dennoch oft Unverständnis oder sogar Verurteilung. 

Diese Reaktionen verstärken Scham und Isolation und machen die Verarbeitung besonders schwer.

Abbruch aus sozialer Indikation

Ein Schwangerschaftsabbruch aus sozialer Indikation bedeutet, dass eine Frau die Schwangerschaft nicht fortsetzt, weil die äußeren Umstände untragbar scheinen. Oft sind die Gründe finanzielle Not, eine instabile Partnerschaft, Gewalt, fehlende Unterstützung oder eine Lebenssituation sein, die dem Kind keine positive Zukunft in Aussicht stellt. In vielen Fällen ist es nicht die Frau selbst, die den Abbruch will. Viele berichten, dass Partner, Familie oder das soziale Umfeld sie in diese Richtung gedrängt haben, unter Androhung von Verlassen oder Entzug von Unterstützung: „Wenn du dich für das Kind entscheidest, musst du sehen, wie du allein zurechtkommst.“ Unter diesem Druck scheint nur der Abbruch als Ausweg. 

Die psychische Belastung ist hoch. Ein Abbruch kann zwar Erleichterung bringen, weil der äußere Druck nachlässt. Gleichzeitig können jedoch Trauer, Schuld, Scham, Wut und das Gefühl, verraten oder im Stich gelassen worden zu sein und das Kind im Stich gelassen zu haben, großen Raum einnehmen. Manche empfinden Dankbarkeit für den offenen Ausweg, spüren aber zugleich den Schmerz, dass ihr Leben nicht stabil genug war, um das Kind willkommen zu heißen. Diese Ambivalenz macht den Abbruch zu einem tiefen und oft sehr langwierigen Prozess, weil es viel Verzeihen verlangt.

Gesellschaftlich wird dieser Verlust eher verurteilt. Betroffene schweigen daher oft aus Sorge vor Abwehr und Ausgrenzung. Hieraus kann Sprachlosigkeit und Einsamkeit entstehen. Doch auch hier geht es um ein begonnenes Leben, um die Vorstellung einer Zukunft, die sich nicht erfüllt hat. Es bleibt ein innerer Raum zurück, der einmal gefüllt war – und leer geworden ist. Ein solcher Abbruch betrifft nicht nur die Beziehung zum Kind, sondern auch das Vertrauen in die partnerschaftliche und gegebenenfalls familiäre Beziehung sowie in die gesamte soziale Sicherheit. 

Eileiterschwangerschaft

Eine Eileiterschwangerschaft ist eine lebensbedrohliche Situation, weil sich die befruchtete Eizelle außerhalb der Gebärmutter in einem der beiden Eileiter eingenistet hat. Die Diagnose kommt oft abrupt und unvorhergesehen, denn die Frau weiß meist nichts von ihrer Schwangerschaft, sondern sucht den Arzt oder die Ärztin aufgrund von heftigen Schmerzen auf. In solchen Momenten steht das Leben der Mutter im Vordergrund. Oft ist ein operativer Eingriff notwendig, um Schlimmeres zu verhindern. Das Kind kann nicht gerettet werden.

Emotional bleibt ein Bruch zurück. Viele Frauen fragen sich: „War ich wirklich schwanger? Habe ich wirklich ein Kind verloren?“ Die medizinische Sprache reduziert das Geschehen gerne auf eine „pathologische Schwangerschaft“, doch die Frau nimmt es wahr als: „Das war mein Kind.“

Diese Erfahrung kann einerseits geprägt sein von der Angst um das eigene Leben und von gleichzeitig von der Trauer, die keinen Raum gefunden hat, weil der Fokus auf der akuten Rettungssituation lag. Das macht es besonders schwer, den Verlust später einzuordnen und um das verlorene Kind zu trauern. Einem Kind, das die Frau gehen lassen musste, kaum dass sie von seiner Existenz erfahren hat. 

Molare Schwangerschaft (Blasenmole)

Eine molare Schwangerschaft ist eine seltene Form, bei der sich anstelle eines lebensfähigen Embryos eine krankhafte Zellansammlung entwickelt. Medizinisch bedeutet das: kein Kind, sondern Gewebe, das unter Umständen sogar entarten kann. Für die betroffenen Frauen ist das eine zutiefst verwirrende Situation.

Sie fragen sich: „War ich wirklich schwanger?“ – Die Hormonlage sprach dafür, doch das Dramatische ist, dass sich nicht nur kein Kind entwickelt hat, sondern sich eine Zellsubstanz aufgebaut hat, die das Potenzial zur Entartung in sich trägt. Die Frage ist dann: Wie um ein Kind trauern, wenn eine bedrohliche Diagnose im Raum steht? Die notwendige Nachsorge mit regelmäßigen Kontrollen hält die Betroffenen über Monate in einem Ausnahmezustand.

Psychisch hinterlässt eine molare Schwangerschaft oft eine Mischung aus Trauer, Verwirrung und Angst. Die Frau muss nicht nur verarbeiten, dass sie kein Kind im Arm halten wird, sondern auch, dass ihr Körper etwas hervorgebracht hat, das nicht mit dem Leben vereinbar ist. Diese Erfahrung ist einzigartig belastend und wird im Umfeld nur selten wirklich verstanden.

Fazit

Wie lässt sich dieser Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, mit dem Verlust eines Kindes konfrontiert zu sein, zusammenfassen?

Ich will es so sagen: 
Jede Art des Schwangerschaftsverlustes ist einzigartig und prägt die betroffenen Frauen und ihre Familien auf eigene Weise. Und es gibt keine Rangordnung des Verlusts, des damit verbundenen Schmerzes und keine „richtige“ oder „falsche“ Trauer. 

Take Home Message für Dich, wenn Du selbst betroffen bist:
– Dein Verlust ist real, egal zu welchem Zeitpunkt er geschehen ist. 
– Es geht immer um Würde.
– Daher verdienen Deine Gefühle stets Anerkennung, Mitgefühl und Raum. 

Take Home Message für uns alle:
Wenn wir beginnen, über unsere Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle innerhalb dieser Unterschiede zu sprechen, dann entsteht ein gegenseitiges Verständnis, das ein Stück Heilung möglich macht – für jede Mutter, jeden Vater und jedes Familienmitglied, das nie sein Geschwisterchen, sein Enkelkind, seine Nichte oder seinen Neffen in dieser Welt begrüßen konnte.  


Tags


Das könnte Dich auch interessieren ...

Hinterlasse einen Kommentar

Your email address will not be published. Required fields are marked

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Du möchtest Kontakt aufnehmen?

Name*
Email*
Message
0 of 350