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Die Gebärmutter – ein lernendes Organ

Dunkle Flecken in der Gebärmutter. Babys, die sich in eine Seite der Gebärmutter quetschen, obwohl mehr Platz vorhanden wäre … Die Gebärmutter kann viel erzählen, wenn wir ihre Sprache verstehen.
Vor zwanzig Jahren habe ich angefangen mit der Bindungsanalyse zu arbeiten. Damals waren wir nicht darauf vorbereitet, dass wir einen vorgeburtlichen Arbeits-Raum betreten, in dem Phänomene auf uns warten, die wir nicht zuordnen können und uns verunsichern werden.
Ich war Teil der ersten Ausbildungsgruppe von Jenö Raffai und György Hidas, zwei Psychoanalytiker aus Ungarn. Mit ihrer Bindungsanalyse brachten sie 2004 einen Ansatz zur Förderung der vorgeburtlichen Mutter-Kind-Bindung nach Deutschland, der völlig neu war. Als ich mich 2005 nach Abschluss der Ausbildung und des Studiums als Psychologin mit Spezialgebiet Pränatale Psychologie, Schwangerschaft und Geburt mit dem Angebot „Bindungsanalyse“ niedergelassen habe, gehörte ich zu den absoluten Pionieren, die mit diesem neuen Ansatz arbeiteten und erste Erfahrungen sammelten.

1. Erste Beobachtungen und fehlendes Verstehen

Was heute für mich zur Selbstverständlichkeit geworden ist, war damals Neuland:
Auf dem Weg zur Gebärmutter berichteten die begleiteten Frauen von „dunklen Nebeln“, „undurchsichtigen Vorhängen“ und anderem nicht Zuordenbaren.

Ein Weg, mich diesen Beschreibungen zu nähern, war das Einarbeiten in die Embryologie. Und das Wissen um Transgenerationalität. Mein medizinischer Hintergrund, der von außen auf das Werden blickt, half nicht weiter. Aus dieser Perspektive war es nicht möglich, diesen Phänomenen zu begegnen.
Sie offenbarten sich erst mit dem „Betreten“ des gebärmütterlichen Innenraums.

2. Dunkle Flecken in der Gebärmutter

Ein Beispiel aus der Praxis:

Der Haupt-Ort des Geschehens in der bindungsanalytischen Prozessarbeit ist der Innenraum der Gebärmutter. Über eine geführte Anleitung wird die Schwangere in ihren Gebärmutter-Innenraum geleitet, um dort ihrem Kind begegnen zu können. Die Begleitende „reist intuitiv-imaginativ“ mit. Ihre Aufgabe: den Raum zu halten. Die Schwangere berichtet, was sie intuitiv wahrnimmt.

Es gab Bemerkungen von Schwangeren, oder Frauen, die wegen Verarbeitungsthemen rund um Schwangerschaft und Geburt die Praxis aufgesucht hatten, die gehäuft vorkamen.
Zum Beispiel, dass sich an der Gebärmutter-Innenwand dunkle Flecken zeigen. Obwohl es an sich im Rest hell und freundlich sei.

Bei unseren regelmäßigen Bindungsanalyse-Supervisions-Treffen wurde deutlich, dass dieses Phänomen auch in den Begleitungen anderer Kolleg*innen vorkam. Anhand der im Vorab der Begleitung erstellten Anamnesen, kam der Gedanke auf, dass die „dunklen Flecken“ mit Einnistungsstellen verlorenen gegangener Kinder in Zusammenhang stehen könnten.

Das klang plausibel. Dennoch waren es Beobachtungen, die in Einzel-Settings gemacht wurden. Mit einer Methode, die naturwissenschaftlich (noch) nicht anerkannt ist. Und der nicht selten zu hörenden Meinung, sich in einem spekulativen Raum zu bewegen, zunächst wenig entgegenzusetzen hat.
Deshalb trage ich im Folgenden zusammen, was es an wissenschaftlicher Grundlage gibt, um sich diesem Phänomen auch von einer biologischen Perspektive aus nähern zu können.

3. Die Biologie der dunklen Flecken

Zunächst will ich anführen, was während der Einnistung mit dem Gebärmutter-Gewebe geschieht. Anschließend gehe ich darauf ein, welche Prozesse biologisch wirken, wenn die Schwangerschaft in einem Verlust des Kindes endet. Zum Abschluss des Artikels werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie diesem Phänomen begegnet werden kann und worauf weiteres Augenmerk zu legen ist.

3.1 Was bei der Einnistung im Gewebe geschieht

Wenn sich eine befruchtete Eizelle in der Gebärmutter einnistet, startet ein umfangreicher Umbau der Schleimhaut der Gebärmutterwand (Gellersen & Brosens, 2014; Okada et al., 2018):

  • Die Schleimhaut (Endometrium) wird hormonell umprogrammiert: unter dem Gelbkörper-Hormon aus dem Eierstock (Progesteron) und cAMP wird sie in eine hoch spezialisierte Schwangerschaftsschleimhaut umgebaut – die sogenannte Decidua (Gellersen & Brosens, 2014; Okada et al., 2018; Liu et al., 2020).
    (cAMP ist ein kleines Molekül, das in der Zelle wie ein Startknopf wirkt. Es schaltet bestimmte Vorgänge an oder verstärkt sie. In der Gebärmutterschleimhaut ist es ein Signal, das den Umbau vorbereitet, damit eine Schwangerschaft möglich werden kann).
  • Ein Teil der Schleimhautzellen (Fibroblasten) verwandelt sich in besonders aktive Unterstützerzellen. Sie sorgen dafür, dass die Abwehr ruhig bleibt, dass sich die kleinen Blutgefäße passend umbauen und dass der Embryo gut versorgt werden kann (Gellersen & Brosens, 2014; Okada et al., 2018).
  • Natürliche Abwehrzellen der Gebärmutter (uNK) – eine besondere Art von natürlichen Schutz-Zellen – werden in der frühen Schwangerschaft sehr zahlreich. Sie machen dort den größten Teil der Abwehrzellen aus und helfen mit, die Schwangerschaft zu etablieren und zu stabilisieren. Sie modulieren die Immunantwort, unterstützen die Invasion der Trophoblasten und die Umgestaltung der Spiralarterien (Male, 2023; Faas, 2022; Xie et al., 2022).
  • Die Spiralarterien werden in weite, niedrig-resistente Gefäße umgebaut, damit ein kräftiger Blutfluss zum sich entwickelnden Mutterkuchen entstehen kann (Albrecht & Pepe, 2020).

In anderen Worten:
Mit der Einnistung eines Embryos beginnt eine hochaktive Phase für die Gebärmutter: sie reagiert, baut sich um, richtet sich ein. Es kommt ein komplexer Vorgang in Gang, der sich nicht einfach als ein „Anhängen“ einer befruchteten Eizelle beschreiben lässt (Gellersen & Brosens, 2014).

3.2 Was bei einem frühen Verlust im Gebärmutter-Gewebe passiert

Wenn die Schwangerschaft früh endet, bricht dieses Umbau-Programm jäh ab. Der Embryo stirbt, die trophoblastären Signale (z. B. das Schwangerschafts-Hormon hCG) fallen weg, die decidualisierte Schleimhaut wird abgestoßen oder rückgebaut (Gellersen & Brosens, 2014; Okada et al., 2018).
Nach außen stellt sich dies meist in Form einer Abbruch-Blutung dar, doch biologisch passiert deutlich mehr:

👉🏼 Deciduale Rückbildung und „Aufräumarbeit“

  • Die Zellen der Gebärmutterschleimhaut, die sich für die Schwangerschaft umgebaut hatten, beginnen sich zurückzubilden, weil nun die Schwangerschaftssignale fehlen. Viele der Zellen sterben auf natürliche Weise ab. Gleichzeitig kommen körpereigene Aufräumzellen und entfernen das abgestorbene Gewebe, damit die Gebärmutter heilen kann (Gellersen & Brosens, 2014; Okada et al., 2018).
  • Gleichzeitig normalisiert sich der hormonelle Kontext – der Progesteronspiegel fällt, die Gebärmutter fährt den Schwangerschafts-Modus zurück (Gellersen & Brosens, 2014).

Das Gewebe kehrt jedoch nicht zwangsläufig in den völlig ursprünglichen Zustand zurück.
Es bleiben mikroskopische Spuren.

👉🏼 Immunologisches „Gedächtnis“ im Endometrium

  • Die Gebärmutterschleimhaut besitzt ein eigenes kleines Abwehrsystem: Dort sind Abwehrzellen beherbergt, die fest im Gewebe sitzen und nicht wie andere Zellen durch den Körper wandern (Kieffer et al., 2019; Huang et al., 2020).
  • Diese Abwehrzellen sind darauf ausgelegt, dauerhaft an diesem Ort im Gewebe zu bleiben und sich an frühere Ereignisse zu erinnern. Dadurch können sie später schneller reagieren, weil sie eine Art „Erfahrung“ tragen. Sie werden als tissue-resident memory T cells (TRM) bezeichnet (Kieffer et al., 2019; Huang et al., 2020).
  • Studien zeigen, dass Veränderungen dieser TRM-Population mit Störungen der Implantation und wiederholten Fehlgeburten assoziiert sein können – die lokale Immunlandschaft der Gebärmutter ist also formbar und speicherfähig (Southcombe et al., 2017; Granne et al., 2021).
  • Die vorgenannten natürlichen Abwehrzellen (Uterine NK-Zellen, uNK) sind zyklisch und schwangerschaftsabhängig, sie normalisieren sich nach einem Verlust aber nicht sofort; vielmehr bleibt ihre Zahl und ihre Funktion für eine Zeit verändert (Male, 2023; Faas, 2022).
  • Dieses immunologische „Gedächtnis“ ist nicht als Metapher zu verstehen, sondern ein realer Mechanismus: Diese Immun-Ortszellen speichern frühere Situationen und beeinflussen hierüber, wie die Gebärmutterschleimhaut auf spätere Einnistungsversuche reagiert (Kieffer et al., 2019; Southcombe et al., 2017).

👉🏼 Epigenetische Spuren – „endometrial memory“

Der Gebärmutterschleimhaut-Umbau ist ein stark epigenetisch gesteuerter Prozess:

  • Die Zellen der Gebärmutterschleimhaut verändern während des Zyklus ihre inneren Steuermechanismen – insbesondere, wenn sie sich für eine Schwangerschaft umbilden. Dabei werden Genbereiche über epigenetische Mechanismen (wie z.B. DNA-Methylierung, Histonmarkierungen und Chromatinstruktur-Anpassungen) an- oder abgeschaltet und die Erbgutstruktur wird neu sortiert. Auf diese Weise können sich die Zellen an die Anforderungen einer möglichen Schwangerschaft anpassen (Liu et al., 2020; Maekawa et al., 2019; Žukauskaitė et al., 2023).
  • Genexpressionsstudien belegen, dass beim Umbau der Gebärmutterschleimhaut zahlreiche epigenetische Regulatoren hoch- oder heruntergefahren werden. Ein Teil dieser Einstellungen bleibt sogar bestehen. Das bedeutet: Die Schleimhaut merkt sich bestimmte Erfahrungen und reagiert später anders darauf (Valatkaitė et al., 2021; Szukiewicz et al., 2021).
  • Einige Arbeiten sprechen explizit von einer Art zellulärem Gedächtnis der Gebärmutterschleimhaut-Zellen („cellular memory“), das die Funktion und die Reaktionsweise der Gebärmutterschleimhaut langfristig beeinflussen kann – eine wissenschaftlich nüchterne Form von „endometrial memory“ (Retis-Reséndiz et al., 2025).

Das bedeutet: Die Schleimhaut erinnert sich nicht in Worten oder Bildern, aber sie trägt eine biografische Signatur ihrer Erfahrungen – so auch nach einem frühen Verlust (Liu et al., 2020; Retis-Reséndiz et al., 2025).

👉🏼 Mikrostrukturelle Veränderungen am Implantationsort

Neben der Immunmodulation und den epigenetischen Anpassungen verändert sich auch die Mikroarchitektur der Blutgefäße:

  • Wenn sich die kleinen Blutgefäße der Gebärmutter für eine mögliche Schwangerschaft umbauen werden sie weiter, erhalten weichere Wände und bilden neue Verzweigungen. Das hinterlässt feine Spuren im Gewebe. Diese Spuren sind meist sehr klein, zeigen aber, dass an diesem Ort bereits eine besondere Vorbereitung stattgefunden hat (Albrecht & Pepe, 2020).
  • Untersuchungen an Tieren und auch Gewebeproben von Menschen zeigen: Dort, wo sich ein Embryo eingenistet hatte, sieht das Bindegewebe später oft ein wenig anders aus. Auch die kleinen Blutgefäße können dort einen anderen Verlauf oder eine etwas andere Struktur haben – selbst dann, wenn die Schwangerschaft sehr früh endet. Das Gewebe behält also feine Spuren dieser kurzen Anfangsphase (Cavalli et al., 2016).

Für die klinische Praxis heißt das: Die Gebärmutterwand war an diesem Ort „in Aktion“. Ein früher Tod des sich entwickelnden Kindes stoppt den Prozess, aber er wird nicht ohne Spuren zu hinterlassen gelöscht. Es bleiben organismische Marker auf der Oberfläche der Gebärmutterwand zurück (Albrecht & Pepe, 2020; Cavalli et al., 2016).

4. Die psychische Dimension: Warum das Gewebe nicht „egal“ ist

Nach einem Schwangerschaftsverlust ist das Risiko für eine posttraumatische Belastungsreaktion und Entwicklung einer Depression erhöht; Meta-Analysen berichten in den ersten Wochen nach einer Sternenkind-Erfahrung von Prävalenzen von etwa 30 % oder mehr (Qu et al., 2017; Cuenca, 2023; Shetty et al., 2025).

Viele Frauen haben durch die Erfahrung das Vertrauen in ihren Körper verloren und empfinden das Erlebte als ein Versagen ihres Körpers, ihrer Gebärmutter (Farren et al., 2018; Mendes et al., 2023).

Diese Erfahrung trifft auf ein Organ, das tatsächlich biografische Spuren trägt. Das ist also keine Esoterik, sondern die bio-logische Folge der Einnistung, der Immunantwort darauf und der epigenetischen Anpassung, die damit einhergingen (Gellersen & Brosens, 2014; Liu et al., 2020; Southcombe et al., 2017).

Die beobachteten „dunklen Flecken“, die während der „Besuche“ der Gebärmutter an deren Innenwände beobachtet wurden, haben vor dem Hintergrund dieser Studienlage einen wissenschaftlich nachvollziehbaren Boden und dürften daher keine Einbildung sein.

Es lässt sich als körperliche Wunde mit entsprechender „Gewebe-Vernarbung“ beschreiben, die sich nicht nur auf dieser organischen Ebene niederschlägt, sondern auch den Entwicklungsraum eines nächsten Kindes beeinflusst (Albrecht & Pepe, 2020; Cavalli et al., 2016).

Als transgenerationales Organ, wie die Gebärmutter es ist, ist angesagt, sie aus der Rolle der „gescheiterten Maschine“ herauszuholen und sie als lebendiges, lernendes Gewebe zu verstehen, das – ebenso wie die betroffenen Mütter (und Väter) – Unterstützung bei der Integration ihrer Erfahrung braucht.

5. Wie Gebärmutter-Heilarbeit das „Nest“ neu bereiten kann

Es gibt keine direkten Studien, die zeigen, dass Körperarbeit die Immun- oder Epigenetiksituation im Endometrium messbar verändert. Was wir aber haben, sind drei Stränge von Evidenz, die sich sinnvoll verbinden lassen:

5.1 Mind-Body-Ansätze

  • Eine aktuelle Studie zeigt, dass mindfulness-basierte Interventionen die psychische Gesundheit von Frauen nach fetalem Verlust deutlich verbessern können (Cuenca, 2023).
  • Ein mind–body-Gruppenprogramm für Mütter nach Totgeburt war mit reduzierter Depression, Angst und traumabezogenen Symptomen assoziiert (Barbe et al., 2023).
  • Meditation und Achtsamkeit senken wahrgenommenen Stress bei Frauen mit wiederholten Schwangerschaftsverlusten in randomisierten Studien (Qu et al., 2017).
  • Systematische Reviews bestätigen, dass psychologische und nicht-pharmakologische Interventionen nach Fehlgeburt psychische Belastung senken (Farren et al., 2018; Mendes et al., 2023).

Die Datenlage ist klar: Wenn es der Frau emotional, psychisch und körperlich besser geht, verbessert sich ihre Ausgangslage für eine Folgeschwangerschaft (Qu et al., 2017; Cuenca, 2023).

5.2 Somatische und körperorientierte Ansätze

Somatische Therapien und körperorientierte Traumatherapie gehen davon aus, dass der Körper belastende Erfahrungen „mitträgt“.

Übertragen auf Gebärmutter-Heilarbeit bedeutet das:

  • Wahrnehmungsarbeit im Beckenraum kann die interozeptive Verbindung zur Gebärmutter stärken und Frauen spüren lassen, dass die Gebärmutter mehr ist als nur ein Fortpflanzungsorgan.
  • Auch das Üben der Nervensystem-Regulation durch Atem, Stimme und sanfte Bewegung, wirkt förderlich auf die Durchblutung, den Muskeltonus und das Schmerzempfinden im Becken. Studien zu Achtsamkeit und Stressreduktion in der Fertilitäts- und Schwangerschaftsmedizin stützen diesen Weg (Qu et al., 2017; Cuenca, 2023).

Da chronischer Stress und Dysregulation des Stresssystems mit ungünstigen Reproduktionsverläufen assoziiert sind, ist es plausibel, die direkte Arbeit mit der Gebärmutter als gezielte Form zur Stress- und Traumasenkung im reproduktiven Kontext einzubeziehen (Qu et al., 2017).

5.3 Die Brücke: Zwischen „Endometrial memory“ und „Gebärmutter-Pflege“

Was lässt sich aus den biologischen Befunden ableiten, wenn wir genau hinschauen?

Die Gebärmutterschleimhaut passt sich zyklisch an, speichert Erfahrungen über epigenetische Muster und Immunzelllandschaften und zeigt messbare Unterschiede bei Frauen mit wiederholten Fehlgeburten, Endometriose oder Implantationsstörungen (Gellersen & Brosens, 2014; Liu et al., 2020; Southcombe et al., 2017; Retis-Reséndiz et al., 2025).

Die Veränderungen sind theoretisch reversibel oder modulierbar, weil es sich um dynamische Prozesse handelt, die auf hormonelle, metabolische und immunologische Signale reagieren (Gellersen & Brosens, 2014; Valatkaitė et al., 2021).

Körper- und Bewusstseinsarbeit kann:

  • Stressachsen entlasten,
  • Selbstwahrnehmung verändern,
  • das Gefühl der Selbstwirksamkeit und Körperverbundenheit stärken (Cuenca, 2023; Barbe et al., 2023; Qu et al., 2017).

Das sind genau die Faktoren, die indirekt das hormonelle Milieu, das Immunsystem und die Gefäßregulation beeinflussen – also die Systeme, über die die Gebärmutter ihr „Gedächtnis“ auslebt (Male, 2023; Albrecht & Pepe, 2020).

6. Heilarbeit für die Gebärmutter?

Mit dem Begriff „Heilarbeit“ im Bereich der Gebärmutter soll keine spirituelle Sprache eingeführt werden, sondern eine Art von Begleitung hinweisen, die a) gezielt die Arbeit mit der Gebärmutter adressiert und b) folgende Ebenen miteinander verbindet:

6.1 Wie sieht das konkret aus – Praxisimpulse für Fachfrauen

Für Hebammen, Doulas, Körpertherapeutinnen und Psychologinnen ergeben sich aus den Befunden und dem Begleitungsansatz folgende Bausteine:

Wahrnehmung und Verbindung:
Die Frau einladen, ihre Gebärmutter als lebendigen Teil ihres Körpers wahrzunehmen, mit dem sie Verbindung aufnehmen kann, ihn nicht als Ort des Versagens zu sehen.

Sprache aktiv gestalten:
Statt von der Gebärmutter als Organ zu sprechen „das hat versagt“, ist es besser den Gedanken einzuführen, dass es sich lohnt, die Gebärmutter als Kooperations-Partnerin zu sehen. Mit ihr gemeinsam „in einem Boot“ zu sitzen und zusammen einen weiblichen Weg zu finden, verändert die Blickrichtung und stärkt die Selbstwirksamkeit.

Rückbildung nicht nur mechanisch sehen:
Üblicherweise wird nach einer Schwangerschaft vor allem auf den körperlichen Rückbildungsprozess fokussiert. Bei einem frühen Verlust hat, wie wir gesehen haben, das Gebärmuttergewebe bereits Umbauten erlebt, deshalb sollte auch dieser Regenerationsprozess gezielt und wertschätzend begleitet werden (Gellersen & Brosens, 2014; Albrecht & Pepe, 2020).

Integration von Emotion und Gewebe:
Bei Trauer und Verlust ist immer auch ein Körpererleben dabei: Die seelische und die körperliche Erfahrung gehören zusammen. Wenn Frauen lernen, dass ihre Gebärmutter gearbeitet hat, und dies ihrer Aufmerksamkeit bedarf, um wieder „frei“ zu werden für etwas Neues, entsteht ein neuer Rahmen (Farren et al., 2018; Mendes et al., 2023).

Regulierung des Körpers:
Das Wissen nutzen, dass körper- und bewusstseinsorientierte Interventionen nach Verlusten psychische Belastung senken können und auf diese Weise auf das autonome Nervensystem, die Durchblutung und die Geweberegulation der Gebärmutter eingewirkt werden kann (Cuenca, 2023; Barbe et al., 2023; Qu et al., 2017).

Vorbereitung auf eine neue Schwangerschaft:
Ist ein neues Kind eingeladen, sollte das „Nest“ bewusst vorbereitet werden – nicht nur mit medizinischen Checks, sondern auf der Körper-, Gefühls- und Gewebe-Ebene. Das heißt: für eine neue Schwangerschaft sollte die Verlusterfahrung „befriedet“ sein, das Sternenkind seinen Platz in der Familie haben, damit das neue Kind seinen Entwicklungsraum vollständig beanspruchen und ohne „dunkle Flecken an den Wänden“ bewohnen kann.

Vorbereitung des Gebärmutter-Raums für ein neues Kind:
In einer Beratung kann vermittelt werden, dass der Trauerprozess nicht nur die eigene Seele betrifft, sondern auch in den Raum, in den ein neues Kind einziehen soll. Die Befriedung der Erfahrung im Gebärmutter-Raum kann eine sehr heilsame Wirkung entfalten.

Biologische Unterstützung:
Die Gebärmutter als eigenen, biologischen „Erfahrungs-Raum“ sehen, der nicht nur Ruhe für seine Heilung braucht, sondern gezielte, positive Impulse: zur Unterstützung. Ein Ansatz wie der „Uterine Deep Talk“-Zugang kann eine geeignete Methode sein, um mit der Gebärmutter „ins Gespräch zu gehen“.

6.2 Warum dieser Ansatz Sinn macht

Die Forschung zeigt:

Die Gebärmutterschleimhaut ist hochdynamisch: bei der Einnistung vollzieht sich ein großer Umbauprozess, der Immunzell-, Gefäß- und Gewebezell-Veränderungen einschließt (Gellersen & Brosens, 2014; Male, 2023; Albrecht & Pepe, 2020).

Wenn eine Schwangerschaft zu früh endet, bleibt dann nicht nichts – sondern etwas zurück:
Die Immunzellen, die epigenetische Signale und die Mikrostruktur sind verändert (Southcombe et al., 2017; Liu et al., 2020; Cavalli et al., 2016).

Körper- und Bewusstseinsarbeit haben nachgewiesenermaßen Effekte auf psychische Belastung und Wahrnehmung – und durch diesen Weg auch auf biologische Systeme (z. B. durch Regulation des Nervensystems, Verbesserung der Durchblutung) (Qu et al., 2017; Cuenca, 2023; Barbe et al., 2023).

Daraus folgt:
Wenn wir mit Zugängen arbeiten, die den Körper auch auf einer Gewebe-Ebene wahrnimmt, dann adressieren wir nicht nur das Gefühl, sondern auch jenes Gewebe- und Systemgeschehen, das „Erinnerungs“-Spuren vergangener Zeit in sich trägt.

7. Fazit

Dunkle Flecken in der Gebärmutter – kein defekter Ort, wahrscheinlich auch kein zufälliges Artefakt, sondern das Ergebnis eines lernenden Organs.

Die moderne Reproduktionsbiologie spiegelt die Gebärmutter als Organ, das sich

  • Erfahrungen immunologisch und epigenetisch „merkt“,
  • Implantationsereignisse mikrostrukturell in sich trägt,
  • und auf hormonelle, psychische und körperliche Signale hochsensibel reagiert
    (Gellersen & Brosens, 2014; Liu et al., 2020; Male, 2023; Albrecht & Pepe, 2020).

Wenn ein Organ so plastisch ist, lohnt es sich, ihm bewusst Zeit, Aufmerksamkeit und regulierende Impulse zu schenken.


Etwas für Dich?
⭐️ Du bist Fachfrauen und begleitest Frauen mit frühen Schwangerschaftsverlusten?
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Wer schreibt hier?

Im Augenblick musst Du leider noch raten 😉, aber bald steht hier mehr.


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  1. Liebe Sabine,

    dein Artikel über die Gebärmutter als lernendes und erinnerndes Organ hat mich wirklich berührt und begeistert. Du schaffst es, ein komplexes Thema mit viel Feingefühl, Klarheit und Kompetenz so zu erklären, dass es emotional und fachlich gleichermaßen wirkt. Besonders beeindruckend finde ich, wie du wissenschaftliche Erkenntnisse mit körpertherapeutischen Perspektiven verbindest und damit einen völlig neuen Zugang zum eigenen Körper eröffnest.

    Deine Bildsprache ist kraftvoll und macht es leicht, sich in das Thema hineinzuversetzen. Viele deiner Formulierungen geben mir als Leserin das Gefühl, verstanden und gesehen zu werden.

    Ich erinnere mich noch gut, als die ersten Studien von Jenö Raffai und György Hidas herauskamen. Das waren sensationelle und ganz neue Ansätze. Damals lehrte und forschte ich am Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und wollte eigentlich über die vorgeburtliche Entwicklung promovieren. Weil die Bedingungen für empirische Studien so schwierig waren, habe ich dann ein anderes Thema gewählt – und später noch einmal einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Auch meine persönliche Erfahrung mit drei Kindern und einem Sternenkind hat meinen Blick auf dieses Thema stark geprägt. Genau deshalb hat mich dein Artikel auf einer tiefen Ebene angesprochen.

    Sehr herzlich
    Pia

    1. Liebe Pia,

      was für wertschätzende Worte! Herzlichen Dank dafür!

      Ja, die Arbeit von Jenö Raffai und György Hidas war und ist nach wie vor bahnbrechend.
      Sie hat der Pränatalen Psychologie ein Tor in die Welt vor der Geburt geöffnet.
      Ich bin dankbar, dass ich diese beiden wunderbaren Männer kennenlernen und noch bei ihnen persönlich (und Ludwig Janus) lernen konnte.
      Meine Forscherseele hat seitdem – und dadurch – ein super spannendes Feld entdeckt und manches Spektakuläre finden können.
      Das wäre nicht der Fall gewesen, wenn sich die Möglichkeit geboten hätte, nach dem Studium in diesem Bereich zu promovieren. Doch mir ging es wie dir: Das Thema war einfach (noch?) nicht in der Landschaft und in Forschungsmethoden zur „Zeitreihen-Analyse“ zu promovieren war ein nettes Angebot, aber einfach nicht die Alternative zu meiner Passion 😁.

      So haben wir beide unsere Plätze gefunden, von welchen aus wir unser Bestes geben.

      Ganz liebe Grüße
      Sabine

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